Die positiven Auswirkungen von D&I
D&I Maßnahmen leiden oft unter dem Ruf, dass sie nur der Optik dienen würden, ein Unternehmen aber nicht nachhaltig verändern. Dabei sehen Unternehmen, die eine klare D&I Strategie verfolgen und systematisch umsetzen, auf mehreren Ebenen positive Auswirkungen: diese Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher und zeichnen sich durch eine inklusive Kultur sowie hohe Resilienz aus.
Unternehmen, die vielfältige Perspektiven und Lösungsansätze strategisch nutzen, sind eher in der Lage, neue Trends zu setzen, können Chancen schneller erkennen und Risiken besser einschätzen. Für Investor*innen, Kund*innen und andere Stakeholder sind das alles Indikatoren, die Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. ESG-Ratings dienen dabei als Orientierungshilfe, weswegen sich ein genauerer Blick auf die Schnittstelle von D&I und ESG lohnt.
Wieviel D&I steckt in ESG?
Bis vor Kurzem standen die ökologischen Aspekte von ESG im Fokus der Aufmerksamkeit, vordergründig weil man sich hier auf relativ klare Zahlen, Daten und Fakten stützen konnte, um den Erfolg eines Unternehmens zu messen. In den letzten beiden Jahren richtete sich der Blick – angetrieben u.a. von der Covid-19 Pandemie und gesellschaftlichen Protestbewegungen wie Black Lives Matter – verstärkt auf die „Social“ und „Governance“ Säulen, d.h. auf die Unternehmenskultur und -führung. Zahlreiche Studien zeigen, dass Unternehmen finanziell von der Integration von D&I in ihre Business Strategie profitieren. Der Women Count 2020 Bericht von The Pipeline (Großbritannien) zeigt beispielsweise, dass FTSE 350 Unternehmen mit zumindest 33% weiblichen Vorstandsmitgliedern eine zehnmal höhere Gewinnspanne haben als Unternehmen mit rein männlichen Vorständen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Gender Bias in Personalprozessen geht daher weit über „Boardroom Diversity“ hinaus und schlägt sich nachhaltig im wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens nieder.
In den USA gehören Investor*innen bereits zu den wichtigsten Treibern von D&I in Unternehmen, da D&I ein immer wichtigerer Faktor in der Risikobewertung wird. Laut einer PwC-Analyse vom September 2021, für die 325 Investor*innen (vorwiegend Asset Manager) weltweit befragt wurden, gaben 80% der Befragten an, dass ESG ihre Entscheidungsfindung signifikant beeinflusst. Neben CO2-Emission und der Einhaltung der Menschenrechte ist D&I laut PwC-Analyse eine der drei Top-ESG-Prioriäten. Gerade in krisenbehafteten Zeiten – man denke an die Klimakrise oder die Covid-Pandemie – setzen Investor*innen verstärkt auf Unternehmen, die besonders viel Anpassungsfähigkeit und Resilienz versprechen, und diverse Teams sind hier in der Regel im Vorteil. Die ESG-Analysten von American Century Investments vertreten daher die These, dass Unternehmen, die bei D&I Maßnahmen hinterherhinken, langfristig weniger wettbewerbsfähig sind und an Reputation verlieren. American Century Investments versteht D&I als Querschnittsmaterie, die sowohl in den „Social“ als auch in den „Governance“ Bereich von ESG wirkt, und führt aus dieser Perspektive seine Risikobewertungen durch.
Ratings und Kennzahlen: Die Messbarkeit von D&I Maßnahmen
Wie die PwC-Analyse zeigt, finden zwei Drittel der Investor*innen, dass die Qualität der erhobenen ESG-Daten von Unternehmen nicht gut genug ist, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Nicht immer sind die erhobenen Daten relevant, aktuell, vollständig und vergleichbar; belastbare Daten würden es für Investor*innen einfacher machen nachzuvollziehen, wie sich die ESG Strategie wertsteigernd auswirkt. Auch das World Economic Forum sieht verlässliche Daten als größte Herausforderung im Bezug auf ESG.
Es ist daher für Unternehmen essenziell, in 3 Schritten ihren Zugang zu D&I zu formalisieren und messbar zu machen:
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- Sektor- bzw. industriespezifische Standards und Kennzahlen identifizieren
- Relevante D&I Information erfassen und veröffentlichen
- D&I Daten analysieren und in neue oder verbesserte Maßnahmen gießen
Die Veröffentlichung von D&I Daten auf der Website oder im Jahresbericht ist wichtig, damit ESG-Ratingagenturen treffsichere Bewertungen vornehmen können. Die ESG-Bewertung legt fest, welche Unternehmen in welcher ESG-Kategorie die Nase vorne haben und setzt gleichzeitig Kennzahlen fest, an denen sich Investor*innen wie auch Unternehmen orientieren können.
Doch wie kann man messen, ob eine Unternehmenskultur wirklich inklusiv ist? Der Schlüssel zu aussagekräftigen Kriterien ist ein ganzheitliches D&I Framework, das D&I Maßnahmen in alle Arbeitsbereiche einfließen lässt und personelle Vielfalt in allen Phasen des HR-Lifecycle berücksichtigt. Unternehmen sollten sich beispielsweise Kennzahlen für jede Phase des HR-Lifecycle ansehen und mit den eigenen Zielsetzungen abgleichen. Diese können von transparenten, gerechten Gehaltsschemata bis zum Zugang zu Weiterbildung und dem Verhältnis Austritts-/Verbleibequoten reichen. In Kombination mit Feedbackschleifen und qualitativen Umfragen ergibt sich dadurch ein gutes Bild über die Inklusivität der Unternehmenskultur bzw. potenzielle Barrieren und Biases, die Vielfalt und Inklusion verhindern.
Höchstwahrscheinlich wird es in den nächsten Jahren zu einer fortschreitenden Standardisierung von D&I Kriterien kommen, die in ESG-Ratings einfließen und Unternehmen somit eine klare Richtschnur vorgeben, in welchen Bereichen Maßnahmen zu setzen sind. Bis dahin gilt es für Unternehmen, sich an Best Practices zu orientieren, möglichst transparent zu kommunizieren und Stakeholder*innen am eigenen Lernprozess teilhaben zu lassen. Denn die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen und sich selbstkritisch mit den Strukturen des eignen Unternehmens auseinanderzusetzen sind ebenfalls wichtige Signale an Investor*innen.
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Autor*in: Dr.in Susanne Hamscha, factor-D